Erlebnispädagogik will mittels Erfahrungslernen und dem Versuch der gezielten Provokation des Erlebnisses (oder zumindest des Erlebens), Menschen in ihrer Persönlichkeit und sozialen Kompetenz stärken und verantwortungsvolles Denken und Handeln fördern.
Erlebnispädagogik ist tendenziell auf die Arbeit mit Gruppen in naturnahen Räumen gerichtet. Erlebnispädagogik ist ressourcenorientiert, nicht auf Probleme fixiert. Sie will jeden Menschen mit seiner Fähigkeit und Geschichte in seinem Umfeld wahrnehmen, um ihn dann gezielt individuell, oder in der Gruppenkonstellation mittels der Erfahrung herausfordern. Ziel ist es stets soziale Kompetenzen zu fördern, Persönlichkeit zu entwickeln, neue Perspektiven und Blickwinkel zu eröffnen, oder Schwächen zu überwinden.
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Erlebnispädagogisches Selbstverständnis
Was hat es mit dem Erlebnis in der Erlebnispädagogik auf sich? Die Erlebnispädagogik möchte das Erlebnis pädagogisch nutzen.
Doch: Was ist ein Erlebnis? - Erleben ist bewusstes Wahrnehmen. Intensiviert sich diese bewusste Wahrnehmung auf eine bestimmte Situation hin, entsteht ein Erlebnis. Damit sind Erlebnisse seltene, sich manifestierende, aus dem Alltag herausgerückte, situative und individuelle Ereignisse, welche individuell von den Vorerfahrungen des Erlebenden abhängen. Eine vollständige Steuerung von außen (als auch durch den Erlebenden selbst) ist nicht möglich. Dies bedeutet, dass Erlebnisse nicht konkret geplant, sondern lediglich „erlebnisbegünstigende“ Situationen geschaffen werden können. Erlebnisse sind in unserem Tun willkommen. In der Praxis wird aber auch viel mit dem Erleben - quasi einer Vorstufe des Erlebnisses - gearbeitet.
Folgende konkrete Auswirkungen hat dies Selbstverständnis auf unsere erlebnispädagogische Praxis:
- Wir streben eine flexible, auf den Gruppenprozess anpassbare Arbeitsweise an, da nicht im Detail vorhergesehen werden kann, wie sich eine Gruppensituation entwickeln wird. Solche Prozessorientierung bedeutet möglichst eine Auswahl verschiedener, vor allem aber im Anspruch variabler Programmbausteine bereit zu halten, um situationsgerecht, dynamisch und adäquat agieren zu können.
- Um in der Aktion verschiedene Optionen bereithalten zu können, gewinnt für uns die Planung und Vorbereitung anpassbarer Programmbausteine an Gewicht.
- Eine bewusste Phase des Kennenlernens ist uns wichtig, um Vertrauen aufzubauen und die Teilnehmer etwas einschätzen zu können, um so ein möglichst auf sie und ihre individuellen Vorerfahrungen und Ressourcen angepasstes Programm anbieten zu können.
- Da Erlebnisse unvorhersehbar und individuell auftreten, birgt es eine gewisse Herausforderung in Großgruppen zu agieren. Um Menschen zu „bewusstem Wahrnehmen“ herausfordern zu können, also Situationen zu schaffen, die „Erlebniswahrscheinlichkeit“ haben, halten wir in der Regel ressourcenorientierte Teilgruppen erstrebenswert.
- Erlebnisse sind intensive Ereignisse. Es gibt auch ein zu viel an Intensivität (Stichwort Panikzone). Dies präsent und immer eine Exitstrategie parat zu haben ist und wichtig. Selbstverständlich ist Sicherheit unser höchstes Gebot. Subjektives Risiko ja, objektive Gefahr nein!
- Einen Dreiklang aus Aktion, Konzentration und Entspannung halten wir für erstrebenswert. Dies bedeutet zyklisch zu arbeiten indem intensiven Phasen bewusst entspannende Angebote entgegengesetzt werden. So kann der Verarbeitung und Reflexion eines Erlebnisses Raum gegeben werden.
Hintergund: Verschiedene Begriffsverständnisse
Die Erlebnispädagogik ist in den 1980er Jahren durch Kurt Hahn aus dem Gedankengut der Reformpädagogik entstanden. Trotz boomender Praxis ist in der erlebnispädagogischen Fachliteratur bis heute kein einheitliches Selbstverständnis zu erkennen. Vor dem reformpädagogischen Hintergrund kann lediglich Hahns ganzheitliches Lernen mit "Kopf, Herz und Hand" als großer gemeinsamer Nenner innerhalb der Erlebnispädagogik angesehen werden. Darüber hinaus sind aktuell zwei Ansätze auszumachen:
Zum Einen wird versucht, die Erlebnispädagogik hinsichtlich ihrer Herkunft einzugrenzen, indem sie notdürftig und zu Unrecht auf die Instanzen Natur und Jugend begrenzt wird. Allerdings kann Erlebnispädagogik ebenso mit Erwachsenen in der Stadt stattfinden. Dieses Begriffsverständnis beschreibt Merkmale und verfehlt somit die Auseinandersetzung mit der Methodik an sich.
Andererseits wird die Erlebnispädagogik als Synonym des Begriffs Erfahrungslernen gesehen, worunter alles Lernen in Verbindung mit Aktivität verstanden werden kann. Dadurch erfährt die Erlebnispädagogik eine enorme Ausdehnung und droht zum pauschal verwendeten, unreflektierten Modebegriff zu verkommen: Alle Aktivität ist Erlebnispädagogik. Unserer Auffassung nach stellt die Erlebnispädagogik aber eine Unterkategorie des Erfahrungslernens dar. So ist beispielsweise gemeinsames Brotbacken durchaus Erfahrungslernen, aber eher keine Erlebnispädagogik.
Mehr hierzu finden Sie unter "Arbeitsweise".